1,8 Prozent der Fläche sind nun Windkraftvorranggebiet

Regionalversammlung 3.12.2025
Rede von Leo Buchholz, Sprecher Planungsausschuss.
Ich kann mich noch ziemlich gut erinnern: Als ich ein Kind war, so vor 15 bis 20 Jahren, da war der Klimawandel irgendwie noch ganz weit weg. Klar, es gab schon sowas wie Nachhaltigkeitsbildung. Es wurde damals betont, wie wichtig es sei, immer die Türen des Kühlschranks zu schließen. Oder den Wasserhahn abzudrehen, während man Zähne putze. Man spürte nicht so ganz, dass es eigentlich ziemlich dringend war. Und dabei war die Faktenlage damals eigentlich schon ziemlich klar. Vor fast 10 Jahren hat sich die Welt geeinigt: Wir, auch in Deutschland, wollen den globalen Klimawandel auf 1,5 °C begrenzen. Aktuell steuert die Welt auf 2,7°C zu. Und was sich im ersten Moment nach ein paar eisfreien Tagen im Winter mehr anhört, ist nicht weniger als die größte planetare Krise unserer Zeit. Während wir uns heute hier treffen, wütet eine Wetterfront aus sintflutartigen Regenfällen in ganz Südostasien. Über 1000 Menschen sind dort in den letzten Tagen an der unbändigbaren, immer stärker werdenden Gewalt der Natur gestorben: Erdrutsche, Überschwemmungen, alles vervielfältigt durch die Klimakatastrophe, die Jahr für Jahr mehr Todesopfer fordert. Auch in Europa. All das müssen wir im Hinterkopf behalten, wenn wir die Beschlüsse von heute diskutieren. Die alte Bundesregierung und die noch aktuelle Landesregierung haben richtigerweise gesehen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien viel zu schleppend vorangeht. Wir haben geliefert, was von der Region gefordert wurde. Wir weisen ein wenig mehr als 1,8% der Fläche der Region als Windkraftvorranggebiet aus. Wir öffnen unsere Grünzüge für die Freiflächen-Photovoltaik. Und wir weisen buchhalterisch auch Vorranggebiete für Photovoltaikanlagen aus. Schon jetzt spüren wir es bei uns im Planungsausschuss: Monat für Monat liegen die Anträge für Windkraftanlagen auf dem Tisch, seit April haben wir die Genehmigungsverfahren von 27 Windkraftanlagen in unserer Region begleitet. All das zeigt: Was wir machen ist richtig, nicht nur die Klimakatastrophe, auch die Energiewirtschaft wartet auf unsere Planungen und die damit einhergehende Klarheit und Bürokratieerleichterungen. Wir in unserer Fraktion sind aber auch der Meinung, es wäre noch deutlich mehr gegangen. Wir freuen uns, dass ein großer Teil der Wasserschutzgebiete II im Verfahren bleiben konnte. Nach der ersten Offenlage haben wir aber schon gesagt: Überlastung ist eigentlich erst bewertbar, wenn die konkreten Anlagen geplant werden. Nach wie vor sind wir der Meinung: Hier sind wir zu voreilig unterwegs! Dieses Thema wäre eigentlich auch im Genehmigungsverfahren behandelbar gewesen. Auch die Gebiete, die nach der ersten Offenlage aus politischen Motivationen aus der Kulisse entfernt wurden, sind nach wie vor verpasstes Potential, weil dadurch teils hoch konkrete Projekte im Keim erstickt wurden. Ein Ergebnis der zweiten Offenlage ist beispielsweise auch: In Gerlingen und Stuttgart sagen die Gemeinderäte ganz klar, dass ihnen durch die Entscheidung einer Mehrheit in der Regionalversammlung Entwicklungsmöglichkeiten ganz konkret entzogen werden. Das ist nicht nur schade, das ist auch hier vorauseilender Gehorsam! Den entsprechenden Kommunen fehlen nun die Flächen, mit denen sie eigentlich gerechnet haben. Wir Grünen sehen mit dem Beschlussvorschlag auch nicht die Belange des Naturschutzes ausreichend berücksichtigt. Insbesondere die Daten, die die Zugvögel betreffen, sind viel zu spät ins Verfahren eingespeist worden. Nichtsdestotrotz war dieses Problem uns Grünen schon immer bewusst. Wir waren mit den Naturschutzverbänden immer in Kontakt, wir haben uns das entsprechende Gelände bei Hemmingen mehrfach vor Ort angeschaut, zur ersten Offenlage haben wir auf die Brisanz hingewiesen und schon im Frühjahr vorgeschlagen das Gebiet LB-08 zu verkleinern. Eine politische Mehrheit dafür gab es nicht. Das Gebiet hätte dabei ohne weiteres die Möglichkeit hergegeben, eine Teilfläche zu erhalten. Dieser Teil ist aber inzwischen kein Teil der Kulisse mehr, vor allem wegen der sogenannten Überlastungsgründe. Die Chance, hier etwas zu tun, lag im Frühjahr, der Zeitpunkt ist leider verpasst. Trotzdem stand für uns als Grüne nie zur Debatte, dem Planentwurf heute nicht zuzustimmen. Die knapp 1,8%, die wir heute beschließen, sind viel besser für das Klima als der Status quo, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Auch wenn wir die Taube für den Kampf gegen die Klimakatastrophe dringend gebraucht hätten. Das Verfahren zur Freiflächen-Photovoltaik ist durch die Überlappung der Gesetze auf den verschiedenen Ebenen sicherlich nicht perfekt. Aber auch hier merken wir bereits: Die innovative Energiewirtschaft steht in den Startlöchern, Klimaschutz vor Ort kommt auch in die Region Stuttgart!Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuhörende: Wenn wir heute diese Satzungsbeschlüsse fällen, dann werden wir nicht aufhören über Windkraft und Photovoltaik zu sprechen. Wir fangen gerade erst so richtig an. Aber heute machen wir einen großen Sprung in die richtige Richtung, wir gehen einen großen Schritt nach vorne. Die Region wird sich durch diesen Beschluss verändern. Wir als Bürger*innen, aber auch unsere Unternehmen und die öffentlichen Strukturen, haben die Chance auf günstige, lokal erzeugte, resiliente Energie. Und wir alle tun etwas dafür, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine Welt übergeben können, die nach wie vor bewohnbar und lebenswert ist. Um nicht weniger als das geht es bei der Energiewende.

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