Anträge
Haushalt 2022: Interfraktioneller Antrag vom 24. Vovember 2021
Fraktionen CDU/ÖDP, Bündnis 90/Die Grünen, Freie Wähler, SPD und FDP
Antrag
a. Der Verband Region Stuttgart (VRS) stellt zur Sicherung und Finanzierung des laufenden Betriebs der IBA`27 (Grundfinanzierung) für die Jahre 2022 bis einschließlich 2027 jährlich weitere 400.000 EUR zur Verfügung, die über eine Erhöhung der jährlichen Gesellschafterbeiträge des VRS bzw. der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) geleistet werden. Der dabei von der WRS geleistete Mehraufwand wird seitens des Verbands Region Stuttgart im Rahmen der 400.000,00 EUR zur Verfügung gestellt.
b. Der Verband Region Stuttgart fordert das Land Baden-Württemberg auf, aufgrund der großen baden-württembergweiten Bedeutung der IBA`27 als Gesellschafter in die IBA`27 GmbH einzutreten und spätestens für das Jahr 2023 bis zum Jahr 2027 einschließlich eine institutionelle Förderung in Höhe von 1,2 Mio. EUR p.a. analog zu den Gesellschaftern Landeshauptstadt Stuttgart und Verband Region Stuttgart zu leisten.
Begründung
Die IBA’27 ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Jahrhundertprojekt. 100 Jahre nach dem Bau der Weissenhofsiedlung als erste Bauausstellung in Stuttgart ist es unser gemeinsames politisches und gesellschaftliches Ziel, eine von Erfolg gekrönte Bauausstellung zu präsentieren, die tatsächlich von internationaler Relevanz ist – und ein Gewinn für die Region Stuttgart. Um die erkennbar unterfinanzierte Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart GmbH zu unterstützen und damit den Erfolg des bisher sehr erfolgreichen Prozesses der IBA zu sichern, ist eine Auf-stockung der Grundfinanzierung erforderlich. Die IBA ist keine reine Architekturschau, es geht nicht allein um das Bauen. Im breit angelegten Plattformprozess von 2016 wurde die IBA beauftragt, ganz neue Antworten zu finden zur Sicherung einer lebenswerten Zukunft für die nachkommende Generation. Die heute schon gut erkennbaren IBA-Projekte behandeln grundlegende Fragen unserer Region: Die IBA-Projekte schaffen exzellente Beispiele für bezahlbaren Wohnraum und das gesellschaftliche Miteinander in den Quartieren und Städten – und somit für den sozialen Zusammenhalt in unserer Region. Es entstehen Beispiele für raumsparende und von der Bevölkerung akzeptierte Flächen für die regionalen Unternehmen und die Zukunft einer nachhaltig wertschöpfenden Produktion. Es geht um die Sicherung lebenswerter und ökologisch wertvoller Freiräume bis hin zu den räumlichen Grundlagen für ein nachhaltiges regionales Mobilitätssystem. Die Projekte zeigen, wie Siedlungen, Städte und Dörfer resilienter für die Klimakrise werden und weisen Wege in eine klimaneutrale Lebens- und Wirtschaftsweise. Investitionen in die IBA’27 sind daher auch Investitionen in die Zukunft der Region Stuttgart, die mögliche Verwerfungen und hohe Folgekosten durch die Auswirkungen der Klimakrise, der wirtschaftlichen Transformation und des gesellschaftlichen Wandels mindern können.
Zu a. Grundfinanzierung der IBA’27
Die nun eingetretene Unterfinanzierung ist als „Geburtsfehler“ bei der Gründung der IBA-GmbH verursacht worden. So war von vornherein nur eine über zehn Jahre gleichbleibende Basisaus-stattung geplant; man ging davon aus, dass alle weiter erforderlichen Mittel über Drittmittel eingebracht werden können. Die IBA’27 GmbH selbst hat gut gewirtschaftet und zwischenzeitlich selbst auch weitere Finanzierungsquellen aufgetan, beispielsweise vom Land und aus der Wirtschaft. Es zeigt sich aber, dass dies nur sehr eingeschränkt möglich ist – vor allem für den laufenden Betrieb der Geschäftsstelle und der Arbeit der IBA-GmbH selbst. Zudem ist die IBA von ihrem Erfolg quasi überrollt worden: Bis heute gingen 150 Projekteinreichungen aus allen Ecken der Region Stuttgart ein. Nicht nur die Fülle der Einreichungen, auch der umfassende Qualifizierungsprozess der Projekte hat sich als wesentlich ressourcenintensiver und aufwändiger erwiesen, als anfänglich abzusehen war. Gerade die letzten zwei Jahre Projektarbeit haben gezeigt, dass etablierte Planungs- und Bauprozesse teilweise grundlegend in Frage gestellt werden müssen – die Dringlichkeit der Klimakrise und die Corona-Pandemie haben dies zusätzlich verdeutlicht. Diese Transformation kann im laufenden Geschäft der Kommunen in der Regel nicht abgedeckt werden. Es braucht den Blick und die Unterstützung von außen. Die IBA als eine Art „Ausnahmeorganisation auf Zeit“ übernimmt genau diese Rolle.
Im bisherigen Prozess hat die IBA’27 nun ihre Reserven aufgebraucht und steht vor einer Weichenstellung. Um die Arbeit in der bisherigen Intensität und Qualität fortführen zu können, braucht es eine rasche Aufstockung ihrer Grundausstattung. Nur so kann die IBA wie im Plattformprozess gefordert tatsächlich zum Transformationsmotor in der Region werden – und zu einem international beachteten Großereignis, das letztlich auch bedeutende sekundäre Effekte auslöst (Investitionen in Projekte, Sichtbarkeit der Region und ihrer Stärken, touristische Effekte, etc.).
Es ist nun politisch unsere Aufgabe, den Erfolg der IBA zu sichern und sie mit den notwendigen Mitteln auszustatten – zusammen mit den weiteren Gesellschafterinnen und dem Land Baden-Württemberg. Wenn wir diesen Weg nicht gehen, wird die IBA’27 ihre Tätigkeit und das Projekt-portfolio wesentlich reduzieren müssen, ggf. sogar ihr hochqualifiziertes und engagiertes Personal. Das Ausstellungsprogramm für das Jahr 2027 müsste auf wenige Projektorte begrenzt werden, internationale Relevanz und Sichtbarkeit wären fraglich.
Die IBA’27 plant als Zwischenpräsentationen zwei „IBA’27-Festivals“. Bereits 2023 und 2025 sollen sie einem breiten regionalen Publikum Einblicke in die Projekte ermöglichen und die Transformation, neue Technologien und Formen des Bauens sichtbar machen. Sie sollen eine Leistungsschau für experimentelle Architektur und Leichtbau werden – explizite Stärken der Region Stuttgart. Sie könnten zudem zur Initialzündung eines regionalen Baustoffkreislaufs werden: Das Konzept sieht die Möglichkeit vor, Materialien aus dem Rückbau der IBA-Baustellen zwischenzulagern, bevor sie an anderen Projektorten neue Verwendung finden. Ein solches Baustofflager – möglicherweise auch in Verbindung mit einer gläsernen Baustofffabrik – könnte auch Teil der EU-Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ werden. Hierzu wird gerade ein gemeinsamer Antrag der IBA mit der Architektenkammer Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart vorbereitet. Eine ideale Fügung ist es zudem, dass 2023 die Urban Future Global Conference (UFGC) nach Stuttgart kommt, eine der wichtigsten und größten Konferenzen zur Zukunft der Städte mit rund 3.000 Teilnehmenden. Für das Präsentationsjahr 2027 schließlich, zu dem mit Gästen im sechs- bis siebenstelligen Bereich gerechnet wird, muss ein umfassendes Besuchs- und Ausstellungskonzept entwickelt werden. Neben den Innovationsimpulsen, die die IBA bereits im laufenden Prozess setzt, sowie den Festivals 2023 und 2025, wird insbesondere auch dieses Großereignis die Region Stuttgart ins internationale Rampenlicht rücken.
Die geplanten Zwischenpräsentationen sind für die breite öffentliche Wahrnehmung, die Akzeptanz und das Gelingen eines erfolgreichen IBA-Prozesses unbedingt erforderlich. Nach unserem Kennt-nisstand gibt es derzeit bei der IBA aufgrund der angespannten finanziellen Situation allerdings Überlegungen, solche Veranstaltungen teilweise aus den bisherigen Planungen herauszunehmen oder gar abzusagen. Angesichts der schon heute erkennbaren Qualität der IBA-Projekte sowie den Chancen der zeitlich und inhaltlich ideal passenden Initiativen „Neues Europäisches Bauhaus“ und UFGC 2023 wäre es jedoch geradezu absurd, wenn dies nicht möglich sein sollte. Es liegt auch in der Verantwortung der Politik und der IBA-Gesellschafter:innen, sich diesen Sachverhalt nochmals genauer anzuschauen und gegebenenfalls der IBA die erforderliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen für die Realisierung der geplanten und bereits öffentlich angekündigten Zwischenpräsentationen bis 2027.
Zu b. Finanzielle Beteiligung des Landes Baden-Württemberg
Bis dato erfolgt die Förderung des Landes Baden-Württemberg lediglich im Rahmen der Projekt-förderung einzelner Projekte. Das Land selbst ist weder als Gesellschaft an der IBA`27 GmbH beteiligt, noch an deren Grundfinanzierung. In zahlreichen Gesprächen und aktuellen Verhandlungen wurde die Bedeutung der IBA`27 auch für das gesamte Land Baden-Württemberg darge-stellt. Von daher muss es Ziel sein, dass im Gleichklang mit den Gesellschaftern Landeshauptstadt Stuttgart und Verband Region Stuttgart, sich auch das Land Baden-Württemberg zum einen als Gesellschafter, zum anderen in gleicher Höhe wie die beiden anderen Partner, nämlich mit 1,2 Mio. EUR p. a. an der Grundfinanzierung der IBA`27 GmbH beteiligt.
Die IBA`27 entwickelt schon heute, mit Sicherheit aber in erheblichem Ausmaß im Präsentations-jahr 2027, eine nicht nur regionsweite, sondern landes- und bundesweite als auch internationale Ausstrahlung und findet Aussagen sowie Antworten zu brennenden Themen der Zukunft. Dies in
erheblichem Umfang auch im Interesse des Landes Baden-Württemberg, da neben der Strahlkraft und dem Renommée der IBA auch Erkenntnisse und Ideen, die initiativ für weitere Projekte in Baden-Württemberg sein können, gefunden und realisiert werden sollen.