Vorranggebiete für regionalbedeutsame Windkraftanlagen - Beschluss zur Offenlage
Regionalversammlung 25. Oktober 2023
Leo Buchholz
TOP 2: Teilfortschreibung Regionalplan
Vorranggebiete für regionalbedeutsame Windkraftanlagen - Beschluss zur Offenlage
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp, sehr geehrter Herr
Regionaldirektor Lahl, sehr geehrte Herren Regionaldirektoren, liebe
Kolleg*innen in der Regionalversammlung, liebe Zuhörende,
Es ist die Nacht des 14. Juli 2021. Die Ahr, ein beschauliches Bächlein in Rheinland-Pfalz, tritt aufgrund einer Starkregen-Insel weit über ihr Flussbett hinaus, ein verheerendes Hochwasser entsteht. Über 130 Menschen verlieren in dieser Flut ihr Leben, über 800 werden verletzt. Die Schäden an öffentlicher Infrastruktur und Privateigentum sind bis heute nur schwer zu beziffern, sie gehen in die Hunderte Millionen. In diesem Sommer wird uns in Deutschland spürbar vorgeführt, welche verheerenden Entwicklungen die Klimakatastrophe mit sich bringt.
Auch dieses Jahr haben uns entsprechende Entwicklungen wieder eingeholt. Das Mittelmeer war diesen Sommer bis zu 4°C wärmer als gewöhnlich, verheerende Waldbrände und Überschwemmungen waren die Folge. In Slowenien mussten beispielsweise über die Hälfte aller Gemeinden Schäden durch Starkregen und Flut verzeichnen. Wir sind live dabei, wie sich das Mittelmeer immer mehr zu einem tropischen Binnenmeer entwickelt, Ökosysteme wie Korallenriffe verschwinden, Arten sterben aus, das ökologische Gleichgewicht gerät ins Wanken. Ähnliche Phänomene lassen sich auf jedem Kontinent dieser Erde beobachten, der Klimawandel, von dem wir all die Jahrzehnte schon wussten, ist wahrhaftig da.
Hinzu kommt noch, dass die Klimakatastrophe, in der wir uns befinden, soziale Ungleichheiten wie ein Brennglas verschärft. Menschen müssen fliehen, weil ihr Land nicht mehr bewirtschaftet werden kann. Wasser wird ein rares Gut und muss rationiert werden. Alte, Kranke und Kinder sind einer tödlichen Hitze ausgesetzt. Die Klimakatastrophe ist die Menschheitsaufgabe unserer Zeit, die uns als politische Akteure herausfordert zu handeln.
Und deshalb ist das, was wir hier heute gemeinsam auf den Weg bringen können, ein Baustein für den Erhalt unser aller Lebensgrundlagen. Wie alle Regionen der Welt muss auch die Region Stuttgart ihren Einfluss nutzen und sich der gigantischen Herausforderung der Klimakrise stellen. Ja, wir haben bereits eine Teilfortschreibung in Sachen Windkraft. Aber es ist kein Zufall, dass in den letzten Eineinhalb Jahren das Thema eine zusätzliche Relevanz gewonnen hat: Eine neue Bundesregierung und eine Energiekrise, ausgelöst durch den Angriffskrieg auf die Ukraine, haben eine eigene Dynamik entfacht und in der Konsequenz dafür gesorgt, dass Baden-Württemberg, und auch unsere Region, 1,8% der Fläche als potentielle Windkraft-Nutzflächen ausweisen müssen.
Dieses Ziel, dieser neue Ansatz ist richtig. Die Windkraft ist unverzichtbar, sie ersetzt Kohle, Öl und Gas als Energieträger und stillt unseren immer weiter anwachsenden Energiehunger. Windenergie ist darüber hinaus eine regionale Wertschöpfung, wir greifen ökonomische Werte im wahrsten Sinne aus der Luft. Und nicht nur die großen Neuansiedlungen in Mittel- und Norddeutschland, beispielsweise von Tesla oder Intel, auch lokale Großunternehmen wie BOSCH zeigen es uns auf: Die Industrie von morgen erwartet ein grünes, lokales Stromangebot, das wir bieten müssen.
Die Standorte, die heute auf dem Tisch liegen, sind die objektiv besten Standorte der Region, denn sie erfüllen im Wesentlichen drei Kriterien: Sie haben ein starkes Winddargebot von über 215 W/m², sie halten Abstand zu Anwohner*innen und sie führen zu keinen ausschließbaren Zielkonflikten. Im Ausschuss war es unsere Aufgabe, diese Kriterien zu diskutieren und festzulegen und gerade der Abstand zu Siedlungen ist wohl ein Beispiel für einen politischen Kompromiss. Wir weichen mit unserem Abstand von 800 Metern um hundert zusätzliche Meter von der Landesempfehlung ab. Als GRÜNE Fraktion haben wir das Argument, man erhöhe dadurch die Akzeptanz vor Ort, nicht immer ganz verstanden. Wir glauben, es geht nicht um einen größtmöglichen Abstand, ein gutes Windkraft-Projekt ist lokal verankert und verschafft den Menschen vor Ort einen Vorteil, den sie spüren. Aber wir haben diesen Kompromiss zum Wohle des Verfahrens mitgetragen.
An dieser Stelle gilt es auch, einen expliziten Dank an Herrn Kiwitt und sein Team auszusprechen. Die übergeordneten Ebenen haben es Ihnen nicht immer leicht gemacht, nicht nur einmal mussten Sie ihre Kulisse überarbeiten, weil Regeln verändert wurden. Dass dennoch schon heute über konkrete Standorte gesprochen werden kann, ist Ihnen und Ihrer Zielstrebigkeit zu verdanken.
Die einzelnen Standorte werden wir heute nicht diskutieren und wollen das auch nicht. Wir gehen heute in die Offenlage und damit in einen transparenten Prozess, der die Träger öffentlicher Belange und die betroffenen Kommunen zur Beteiligung einlädt. Es wird dabei auch Belange geben, etwa im Bereich von Arten- und Immissionsschutz, die erst im konkreten Bauvorhaben geklärt werden können. Am Ende dieser Offenlage werden wir als Regionalversammlung durch die Abwägung der Argumente Verantwortung übernehmen, denn dafür wurden wir gewählt.
Ich glaube, wir wissen alle, dass die vor uns liegende Debatte nicht einfach werden wird. Aber das darf uns nicht abschrecken. Ja, es gibt eine laute, aktive Minderheit ohne eigenes Konzept, die sich von dieser Energietechnik bedroht sieht und versucht, irrationale Ängste zu schüren. Vor Vernunft drauf steht ist nicht immer Vernunft drin. Allen lautstarken Protesten zum Trotz halten wir es als gewählte Repräsentanten für vernünftig uns mit der Teilfortschreibung Windkraft der Verantwortung für eine Dekarbonisierung der Region zu stellen. Ich sehe das auch als persönliches Learning der letzten Wochen.
Wir als Fraktion wünschen uns, dass unsere Region mit der heutigen Offenlage weiter die Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreibt.Jede grüne Kilowattstunde, die erzeugt wird und in Konsequenz irgendwo CO²-Ausstoß verhindert, zählt. Als Region erfüllen wir hier unsere Pflichtaufgabe. Über die Kür, was aus unseren Reihen noch für das Klima getan werden könnte, werden wir sicher auch dieses Jahr wieder in den Haushaltsberatungen sprechen.