Ergänzung des Regionalverkehrsplans 27.09.2022
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Regionaldirektor,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
vor uns liegt das Ergebnis der kurzfristigen Ergänzung 2022 des (letzten) Regionalverkehrsplan 2018, der nach fast 10jähriger Arbeit und Diskussion entstanden ist. Dass es uns möglich ist, diesen Plan fast mühelos zu ergänzen, liegt auch an der guten Arbeit durch Herrn Kiwitt, Herrn Dr. Löhnhard und Ihrem Team. Dafür gebührt Ihnen unser Dank!
Der Regionalverkehrsplan bildet die Handlungsgrundlage für die eigenen Investitionen des Verbands Region Stuttgart, die verbindliche Sicherung notwendiger Trassen im Regionalverkehrsplan und die nachgelagerten ÖPNV-Planungen, wie z. B. die Nahverkehrspläne. Im Regionalverkehrsplan 2018 ist viel enthalten. Über hundert Maßnahmen für den Öffentlichen Verkehr und fast doppelt so viele für Straßenbau und ein paar Einsprengsel an weiteren Verbesserungsmaßnahmen.
Nur eines eben nicht: Verbindliche Vorgaben zum Klimaschutz. Bei der Einbringung wurde explizit formuliert: Das Thema Klimaschutz wird nicht einbezogen, es handele sich hier lediglich um kurzfristige Ergänzungen und keine Veränderungen im Bestehenden.
Und so wird es Sie auch nicht verwundern, dass wir wie 2018 den vorliegenden Regionalverkehrsplan ablehnen werden.
Ein Plan muss Orientierung bieten, er muss richtungsweisend sein. Das Ziel des Regionalverkehrsplans ist „…ein Handlungskonzept für die zielorientierte Weiterentwicklung des Verkehrs in der Region Stuttgart .., das mehr sein will als die Summe lokaler oder sektoraler Forderungen. Als vorrangige Zielsetzung soll dieses Konzept Maßnahmen zur Gewährleistung einer zukunftsfähigen Mobilität aufzeigen.“ Aber dieses Handlungskonzept wird durch die vier ergänzenden Seiten zum Klimaschutz nicht besser, sondern atmet immer noch den Geist des letzten Jahrhunderts. Das Hauptziel besteht immer noch im angemessenen Zeit- und Kostenaufwand für die Ausübung der Mobilität und erst danach in Emissionsarm, Umweltfreundlich und Klimaverträglich.
Nun hatten wir nicht gleich erwartet mit dieser kurzfristigen Änderung die Welt aus den Angeln zu heben. Und wir haben auch nicht erwartet, dass Fossilien wie bspw. Nord-Ost-Ring oder Filderauffahrt verschwinden, aber wir hätten schon erwartet, dass sich die Zielbestimmungen und Vorgaben als Handlungsvorschläge ändern. Denn Ziel war es weiterhin sprechfähig zu sein. Nur rufen wir weiterhin in die falsche Richtung!
Straßenbau ist keine Lösung für die Verkehrsprobleme in der Region Stuttgart. Er ist das Problem.
Warum haben wir ein so großes Problem, wo doch seit Jahrzehnten vorwiegend in Straßenbau investiert wird? Die Antwort ist so einfach wie niederschmetternd: In den Diskussionen ist der verstaubte Geist der 1980er Jahre immer noch deutlich zu spüren. Man brauche nur mehr Geld und müsse nur mehr Straßen bauen und dann werde alles gut. Verkehrsverflüssigung durch Asphalt ist immer noch die Zauberformel, mit der seit Mitte des letzten Jahrhunderts versucht wird, dem Mobilitätsverhalten Herr zu werden. Der Geruch nach Mottenkugeln ist auch durch diese kurzfristige Ergänzung nicht zu übertünchen. Der Transport wurde massiv von der Schiene auf die Straße verlagert, immer mehr Flächen werden für Logistik in Anspruch genommen. Straßenbau ist keine Lösung für die Verkehrsprobleme in der Region Stuttgart. Er ist das Problem. Der Verkehr hat einen Anteil von 30% am schädlichen Ausstoß von Treibhausgasen. Einen solchen Unsinn kann die Grüne Fraktion nicht mittragen. Wir lehnen den vorgelegten Plan daher ab!
Neu bzw. überarbeitet sind ein Kapitel Seilbahnen und ein wenig mehr Radverkehr… Ein Plan ist er damit aber immer noch nicht und wird auch seinen Ansprüchen nicht gerecht. Die Landesregierung setzt zu Recht aufs Fahrrad als nachhaltiges Verkehrsmittel und reagiert damit auf die Entwicklung. Immer mehr Menschen steigen aufs Fahrradfahren um, oft auf Pedelecs und auch im Berufsverkehr. Die Gründe sind vielfältig, es gibt gesundheitliche Gründe, aber auch ökonomische, weil einen das Fahrrad manchmal schneller und billiger zum Ziel bringt. An Städten wie Göteborg, Paris oder auch Freiburg, wo das Fahrrad bereits einen Anteil von ca. einem Drittel des Verkehrs hat, kann man sehen, welches Potenzial in einer gut ausgebauten Fahrradinfrastruktur steckt. In diesem Bereich ist in der Region Stuttgart besonders viel Luft nach oben. Vernetzte Radwege, gute Beschilderung, Vorrangstraßen und meine Damen und Herren: Das sind die auch Möglichkeiten für die Region. Es muss attraktiv sein, in der Region Stuttgart ohne Auto unterwegs zu sein. Erst, wenn wir das geschafft haben, haben wir eine Chance! Allein die Umstellung auf E-Autos ist nicht die Lösung. Die Lösung liegt in einer vernetzten Mobilität, die zwar nicht auf das Auto verzichten kann, aber seine Dominanz verringert. Das ist die Zukunft und daher lehnen wir den Beschlussvorschlag ab!
Und wo finden wir weitere Ansätze für einen umweltgerechten Verkehr? Wir finden diesen auf drei bzw. vier mageren Seiten. Betrachtet werden Tarifmaßnahmen, Verkehrslenkung, Ausbau der Intermodalen Vernetzung und auch Fahrverbote. Und wenn man sich die Wirkanalysen anschaut, muss man feststellen, dass es keine anderen Maßnahmen gibt, die einen größeren Effekt darauf haben, dass mehr Menschen den ÖV nutzen und dass weniger für Klima und Gesundheit schädliche Gase in die Luft geblasen werden. Gerade diese Maßnahmen sind es doch, die zurzeit für die Verbesserung der Mobilität in der Region diskutiert werden. Warum werden diese Maßnahmen nicht im Vordergrund gerückt? Warum wird dieses Ergebnis nicht als Richtungsweiser genommen für die Weiterentwicklung der regionalen Mobilität und dem Regionalverkehrsplan vorangestellt? Hierzu benötigen wir keine neue Modellierung. Wir brauchen nur den Mut dazu.
Wir brauchen nicht nur eine kostengünstige individuelle Mobilität, wir müssen sie nachhaltig entwickeln.
Solange der Regionalverkehrsplan „auf die Vorgabe von Treibhausgas-Reduktionszielen, (für) die Region“ verzichtet, wird er den Anforderungen als Handlungsgrundlage für einen klimagerechter Verkehr nicht gerecht. Er bietet keine zukunftsweisende Orientierung und schon gar keine nachhaltige Rahmenplanungen dafür, wie wir die Mobilität heute verändern müssen, um morgen überhaupt noch mobil sein zu können.
Wir haben den Anspruch, dass Verkehr nicht nur „zielorientiert“ sein muss, er muss auch umwelt- und klimafreundlich werden. Wir brauchen nicht nur eine kostengünstige individuelle Mobilität, wir müssen sie nachhaltig entwickeln. Auf alle diese Herausforderungen finden wir im Regionalverkehrsplan keine Antwort: Keine Mobilitätspakte, kein Mobilitätspass, zu wenig Fahrradverkehr. Noch nicht einmal zu Ökostrom hat es gereicht - um nur einige Punkte zu nennen.
Und wer meint, dass er/sie mit dem Finger auf andere zeigen kann, hat immer noch nicht verstanden, dass dabei mindestens drei auf einen selbst gerichtet sind. Die Landesregierung hat sich zu einem Modellversuch Nahverkehrsabgabe bereits entschlossen. Die Tarifreform wird gerade im Bund verhandelt. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr damit ein deutliches Signal setzen und einen großen Anreiz für den Umstieg auf den ÖPNV erreichen können.
Was wir jetzt benötigen, ist ganz dringend einen Plan, wie Mobilität in der Region Stuttgart weiterentwickelt werden kann. Ein Plan, der zeigt, wie es weitergehen soll. Dem vorliegenden Plan können wir Grünen nicht zustimmen!
Der Regionalverkehrsplan, den wir heute in die Anhörung geben hat immerhin noch den Anspruch, die Leitplanke bis zum Jahr 2025/26 darzustellen. Aber schon der Beschluss 2018 hat gezeigt, dass wir gestern hätten umsteuern müssen, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Die Neuauflage enthält hierzu keine Verbesserung. Wer heute den RVP aus dem letzten Jahrzehnt ohne weitere Vorgaben in die Offenlegung gibt, hat nicht verstanden, dass er wieder zwei bis drei Jahre verschenkt (Halbierung bis 20230). Bedenkt man noch die Planungszeiträume...
Meine Damen und Herren, wir – Bündnis 90/Die Grünen - lehnen den vorgelegten Regionalverkehrsplan 2022 ab.