Rede von André Reichel zum Haushaltsentwurf 2013 Regionalversammlung 05.12.2012
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
eigentlich wollte ich diese Rede mit einem Verweis auf die beinahe durchweg harmonischen Diskussionen und Abstimmungen im Rahmen der Haushaltsberatungen beginnen. In der Tat liegt uns heute ein Haushalt vor, in dem sich beinahe alles wieder findet, was die Fraktionen beantragt haben.
Leider lässt uns dieses Mal Stuttgart 21 keine Ruhe. Gestern war es schon in der Presse zu lesen: Stuttgart 21 durchbricht die Finanzierungsgrenze. Die Stuttgarter Zeitung spricht gar von einem „Endspiel um die Mehrkosten“. Was ist geschehen? Durch selbst verschuldete Fehler des Bauherrn Deutsche Bahn droht S21 um 1,1 Milliarden Euro teurer zu werden. Das sind keine Kosten, die durch Schlichtung oder Filderdialog entstanden sind, es sind – Zitat DB – „Hypotheken aus der Vergangenheit des Projekts, also Fehlplanungen und übersehene Kostenpunkte.“
Nach nunmehr 18 Jahren Diskussion und Planung für Stuttgart 21 – dem bestgeplanten und bestkalkulierten Projekt der Deutschen Bahn AG – müssen wir nun feststellen, dass jemand wohl einen Fehler gemacht hat. Kann ja mal passieren, ist bei S21 nicht ungewöhnlich, schließlich wurde das Projekt 2009 – nachdem die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet war – auch schon mal um 1 Milliarde teurer. Es ist auch sehr bemerkenswert, dass bereits im Frühjahr 2011 der damalige Projektverantwortliche Hany Azer vor Kostenrisiken von über 1 Milliarde Euro gewarnt hat. Die Bahn hat damals, kurz nach dem grün-roten Wahlsieg all das als haltlos zurückgewiesen. Nun ja...
Aber jetzt – die eine Hand aufs Herz, die andere erhoben zum Schwur – verspricht uns der Technikvorstand der DB, Dr. Volker Kefer, er sei fest entschlossen, den Bau von S 21 im neuen Finanzierungsrahmen von maximal 5,6 Milliarden Euro zu verantworten.
5 , 6 M i l l i a r d e n...
Meine Damen und Herren, wir Grünen haben seit 18 Jahren gegen dieses Projekt gekämpft mit allen Mitteln, die uns in einer Demokratie zur Verfügung stehen. Wir haben es bis zum Volksentscheid gebracht und sind da gescheitert. Aber wenn diese dramatische Kostensteigerung eines überdeutlich zeigt, dann das:
Wir Grünen hatten von Anfang an mit allem was Stuttgart 21 betrifft Recht!
Nun stehen wir aber alle zusammen vor einem Scherbenhaufen, da hilft auch Recht haben nicht viel. Es ist der Scherbenhaufen, den uns die Landesregierungen der Vergangenheit hinterlassen haben. Klagen hilft nicht, es liegt nun an uns Grünen, mit dieser Lage fertig zu werden und Schaden von Land und Region abzuwehren. Beim Landeshaushalt – ebenso wie bei den OB-Wahlen der letzten Zeit – ziehen wir dabei an einem Strang mit unserem Partner SPD. Herr Raß, ich hoffe doch sehr, dass wir das hier auch machen. Aber ich muss mich schon wundern, wenn – nicht nur von Ihnen, sondern insgesamt – in diesem Gremium immer wieder laut angedeutet wird, der Verband Region Stuttgart könne sich an Mehrkosten beteiligen.
Vielleicht verstehen es manche hier nicht, dann lesen Sie es von meinen Lippen:
100 Millionen Euro! Punkt.
Mehr wird es mit uns Grünen als Finanzierungsbeitrag für S21 nicht geben. Schon gegen diesen Betrag haben wir uns immer gewehrt.
Nach dem Offenbarungseid der Bahn am 12. Dezember ist es aus Grüner Sicht dringend angeraten, ernsthaft einen Baustopp von S21 zu fordern bis die weitere Finanzierung geklärt ist. Noch ist nichts Wesentliches gebaut worden, S21 ist noch keine Baugrube ohne Boden und ohne Licht am Ende der 60km Tunnel durch Stuttgart.
Zum Haushalt selbst, der nun leider wieder im Schatten von S21 liegt.
Ich habe eingeleitet mit der Bemerkung, dass die Beratungen insgesamt sehr konstruktiv verlaufen sind. Gerade im so wichtigen Verkehrsbereich sind zukunftsweisende und richtige Weichenstellungen erfolgt. Ich denke da vor allem an den S-Bahnausbau auf den Fildern bis nach Neuhausen, der nun bereits in einem frühen Stadium weitergedacht wird bis ins Neckartal. Das war uns Grünen ein zentrales Anliegen.
Der Verkehr war aber auch der Bereich, indem die ungenügende Kompetenzaufteilung im Nahverkehr überdeutlich geworden ist. Bei der Umstellung von regionalen Nachtbussen auf Nacht-S-Bahnen haben leider nur zwei Kreise mitgezogen und ein attraktives Nachtbussystem zur Abdienung der S-Bahn auf die Beine gestellt. Der Nachtverkehr in der Region hat mit der S-Bahn ein starkes Rückgrat, aber wie so oft ist jede Kette nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Der nun herrschende Flickenteppich bei den Nachtverkehren ist für uns Grüne ein weiteres schlagendes Argument für die einheitliche Aufgabenträgerschaft des ÖPNV auf der regionalen Ebene.
Die S-Bahn ist eine Stärke des regionalen ÖPNV – eine Stärke allerdings, die in den letzten Monaten starke Schwächen gezeigt hat. Die aufgrund der Baumaßnahmen zu Stuttgart 21 vorgenommenen Änderungen im Gleisvorfeld haben den gesamten Bahnverkehr, aber eben insbesondere auch die S-Bahn, unzuverlässig werden lassen.
Meine Damen und Herren, so kann das nicht weiter gehen. Unsere S-Bahn hat täglich 330.000 Fahrgäste, sie stellt einen entscheidenden Standortfaktor für unsere regionale Wirtschaft dar und hilft uns beim regionalen Klimaschutz. Wie kann sie funktionsfähig gehalten werden, gleich was noch bei Stuttgart 21 geschieht? Dazu liest man im Haushalt wenig und ich denke, es wird unser aller Aufgabe im nächsten Jahr sein, hier neue Ansätze aufzuzeigen. Das kann die Verdichtung von Takten sein, längere Züge über den ganzen Tag, aber auch Nutzung und Erweiterung von Schienen-Bypassen zur Stammstrecke. Anträge zur Schusterbahn über Münster liegen bereits seit letztem Jahr vor, aber auch die Berücksichtigung der Gäubahntrasse im Stuttgarter Norden gehört genauer untersucht.
Wo die Region sicherlich Vorreiter ist, ist der Bereich der Windkraft. Die Ausweisung von Standorten ist vorbildlich für ganz Baden-Württemberg. Gemeinsam mit dem Land zeigt die Region, wie Energiewende gehen kann und wie wertvoll eine regionale Planungsebene ist, wenn es um die Umsetzung solcher großer gesellschaftlicher Vorhaben geht. Vielleicht gelingt es uns ja wirklich, zumindest rein rechnerisch, unsere S-Bahn in der nächsten Wahlperiode der Regionalversammlung mit regional erzeugtem Windstrom fahren zu lassen. Daran zeigt sich auch, dass Energiewende und Verkehrswende nur gemeinsam gelingen können, dass der ÖPNV eine entscheidende Rolle im Rahmen jeder E-Mobilitätsüberlegungen spielt, und dass wir dafür einen starken Verband Region Stuttgart brauchen.
Einen Punkt möchte ich zum Ende aber noch ansprechen. So harmonisch viele Beratungen verliefen, es konnten sich einige von uns des Eindrucks nicht erwehren, dass manchmal die Verwaltung ein wenig zu oft den Ausdruck „Zustimmung unter folgender Maßgabe“ verwendet hat. Wenn das, was gewählte Mandatsträger vorschlagen immer unter geringstmöglichem Aufwand in das Tagesgeschäft einer Verwaltung eingespielt wird, dann ist damit zwar das reibungslose Funktionieren der Verwaltung gewährleistet. Der politischen Richtungsentscheidung bei regionalen Themen schadet das aber eher. Mir ist sehr klar, dass wir eine schlanke und effizient arbeitende Verwaltung haben, für die bin ich dankbar. Aber ich sehe die Mitglieder dieser Regionalversammlung nicht als Stichwortgeber, sondern als treibende Kraft in der politischen Gestaltung unserer Region Stuttgart.
Etwas weniger Maßgaben und etwas mehr Zuspitzung würde ich mir bei den Beratungen im nächsten Jahr wünschen und ich denke, die Fraktionen hier im Gremium werden diesen Wunsch – zumal ja bald Weihnachten ist – positiv aufnehmen.
Meine Damen und Herren, es gibt sicherlich einiges am Haushalt 2013 was uns Grünen nicht ambitioniert genug ist, was wir gerne stärker unterstützt hätten. Die für uns relevanten Punkte sind aber enthalten, nächstes Jahr ist vielleicht ein wenig mehr Mut von uns allen möglich. Nötig ist er in jedem Fall. Wir Grünen stimmen dem Haushalt 2013 zu.
Vielen Dank!