Rede von André Reichel zum Haushaltsentwurf 2014 Regionalversammlung 4. Dezember 2013
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,meine Damen und Herren,
der Verband Region Stuttgart hat mit dem Geld seiner Kommunen gut gewirtschaftet. So kann man den Haushalt 2014 überschreiben und auch unsere Kollegen von den Freien Wählern werden dagegen sicher nichts einwenden.
Die gute und verlässliche Haushaltsführung des VRS wird nun aber gerade durch den Antrag der Freien Wähler gefährdet, die Umlage um 10 Mio. Euro zu senken.
Ja, die liquiden Mittel sind hoch, die Risiken bei den kommenden S-Bahnausgaben sind es aber auch. Es kann sicher nicht im Interesse der 179 Kommunen des Verbandsgebiets sein, wenn der VRS in einem Jahr die Umlage um 10 Mio. senkt, nur um sie im nächsten Jahr wieder zu erhöhen, wenn das Geld doch nicht reicht. Sicherlich hat Ihre Argumentation Charme – Herr Bachofer, Herr Meier –, damit könnten wir aber auch die Zweckbindung der ÖPNV-Umlage an Stuttgart 21 aufheben und das Geld dort für unsere regionalen S-Bahnvorhaben nutzen. Liquide Mittel haben wir ja genug!
Nachdem ich aber nicht davon ausgehe, dass Sie bei so etwas mitmachen würden, können wir Grünen auch ohne Bedenken gegen Ihren Vorschlag stimmen und uns für die Fortsetzung der verlässlichen Haushaltsführung des VRS aussprechen.
Verlässlichkeit sehen wir Grünen auch als entscheidendes Kriterium bei der Bewertung der Hauptaufgabe des Verbandes, seiner S-Bahn. Die S-Bahn ist in den letzten Jahren zunehmend unter die Räder gekommen. Zuerst unter die Räder von Stuttgart 21 – Stichworte sind: Signalabbau und Umbauten Gleisvorfeld –, dann unter die eigenen Räder der neue S-Bahngeneration mit ihren zu langen Haltezeiten und Problemen bei den Schiebetritten, schließlich unter die zusehends desaströse Infrastruktur im gesamten S-Bahnnetz, vor allem aber auf der Stammstrecke in der Stuttgarter Innenstadt. Auf Initiative der grünen Regionalfraktion gab es den S-Bahngipfel im Oktober, auf dem all diese Probleme endlich für alle sichtbar auf den Tisch kamen. Im kommenden Jahr gilt es nun, kritisch und beharrlich weiterzumachen und bei der DB nicht locker zu lassen. Wir wollen vor der Sommerpause die ersten Berichte zur Umsetzung der Ergebnisse des S-Bahngipfels hören und weiter nachjustieren für eine verlässliche S-Bahn.
Die Stabilisierung der S-Bahn und ihres Fahrplans schaffen wir aber nicht allein durch kurzfristige Maßnahmen. Uns ist allen klar, dass am System selbst Änderungen und Erweiterungen notwendig sind, um die Stammstrecke zu entlasten und neue Wegebeziehungen zu ermöglichen. Darauf zielten und zielen unsere grünen Anträge zur Einbindung der Gäubahnstrecke und der Schusterbahn ins S-Bahnnetz, ebenso wie die Überprüfung eines Regionalbahnhalts in Stuttgart-Vaihingen. Die Region Stuttgart hat im Vergleich zu anderen Metropolregionen ohnehin ein sehr kleines S-Bahnsystem und ohne starke Querverbindungen – von Esslingen nach Ludwigsburg, von Bietigheim nach Böblingen – bekommen wir keine stabile S-Bahn im Kern. Auch bei den bereits beschlossenen und in unmittelbarer Aussicht stehenden Ausbaumaßnahmen – der S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen, in den Kreis Göppingen und der Möglichkeit der Verlängerung der S5 nach Vaihingen/Enz – zeigt sich der VRS als verlässlicher Partner im ÖPNV.
Diese über Jahre hinweg erwiesene Verlässlichkeit ist auch ein starkes Signal an die Landesregierung und den Landesgesetzgeber, die ÖPNV-Kompetenzen in der Region Stuttgart neu zu ordnen. Gemeinsam mit der SPD haben wir Grünen dazu in diesem Jahr in der Regionalversammlung eine mit dreiviertel Mehrheit verabschiedete Aufforderung an das Land geschickt, hier mutig voranzuschreiten. Wir Grünen begrüßen es, dass Verkehrsminister Herrmann hier die Rolle eines Vermittlers zwischen den kommunalen Ebenen übernommen hat und den Prozess vorantreibt.
Jenseits der Kompetenzfragen wollen wir Grünen aber nicht vergessen, worüber wir diese Auseinandersetzung führen: um einen besseren ÖPNV in der Region für die Fahrgäste. Da der VRS nicht überallhin S-Bahnen bauen kann, die Kreise bei kreisübergreifenden Buslinien sich aber nicht zuständig fühlen, haben wir Grünen die Erarbeitung eines regionalen Schnellbussystems beantragt. Wir erwarten im neuen Jahr dazu konkrete umsetzbare erste Schritte gemäß unserer eingebrachten Anträge. Eine erste regionale Schnellbuslinie muss nach unserer Auffassung den Filderraum über Wendlingen, Kirchheim und Bad Boll mit Göppingen verbinden. Die Landeshauptstadt und die Kreise Esslingen und Göppingen würden davon profitieren.
Trotz des großen Erfolgs der Nacht-S-Bahnen bereits ein Jahr nach Einführung, bleibt eine offene Flanke bei den Nachtverkehren: Je nach Heimatkreis hat man als Fahrgast einen Bus zur Weiterfahrt oder ein Taxi, mal gilt der VVS-Fahrschein, mal muss man nachzahlen. Gleichwertige Standards: Fehlanzeige. Gerade weil die Nacht-S-Bahnen bereits ein Jahr nach ihrer Einrichtung eine Erfolgsgeschichte sind, müssen wir hier regionsweit zu einer guten und für die Fahrgäste verlässlichen Lösung finden. Auch dies wäre aus regionsgrüner Sicht eine durch den VRS festzulegende und zu finanzierende Regelung im ÖPNV.
Auch bei der anderen großen Aufgabe des VRS, der Regionalplanung, sehen wir Grünen den Verband mit diesem Haushalt auf einem guten Weg. Beim gesellschaftlichen Großprojekt Energiewende gibt es vom VRS starken Rückenwind, die Region geht mit einem Maximum an möglichen Vorrangflächen in die Diskussion. Weniger wird es dann von ganz alleine durch unvorhergesehene Widrigkeiten, wie Schutz des Wetterradars oder Akzeptanzproblemen vor Ort. Die größte Widrigkeit ist aber Koalition aus CDU und SPD im Bund. Es ist schon ein denkwürdiges Schauspiel, wie der alte bundesdeutsche Industriekorporatismus unter Schwarz-Rot wieder aufersteht. Die großen Energieversorger und ihre Gewinne werden geschützt, während Frau Merkel und Herr Gabriel bei den Zukunftstechnologien und Arbeitsplatzmotoren der Erneuerbaren auf die Bremse treten. So schaut Artenschutz für Dinosaurier aus!
Würden die Änderungen bei der Einspeisevergütung von Onshore-Windkraftanlagen umgesetzt, die Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, fallen überschlägig die Hälfte aller Standorte in Baden-Württemberg aus dem Raster. Das betrifft in großem Maße auch unsere Planungen für die Region Stuttgart. Ich appelliere an alle hier in dieser Regionalversammlung, ihre Kontakte und Einflussmöglichkeiten zu nutzen und sich dafür einzusetzen, dass das so nicht geschieht.
Ansonsten dürfen wir uns hier in der Region vom Gegenwind für Erneuerbare aus Berlin nicht beeindrucken lassen und mutig vorangehen, wo immer sich uns die Gelegenheit bietet. So begrüße wir Grünen aus ausdrücklich, dass in Lauterstein mit dem Eintritt ins Zielabweichungsverfahren die nächsten konkreten Schritte eingeleitet sind und ein gutes Beispiel darstellen für die Umsetzung an anderen Standorten.
Nicht loslassen wird uns sicherlich auch das Thema Fläche.
Fläche ist eine endliche Ressource, wir können sie nicht beliebig zubauen ohne gravierend in die naturräumliche Identität der Region und die Lebensqualität ihrer Bewohner einzugreifen. Dass hier Wachsamkeit angeraten ist, gerade aus Verbandssicht, zeigen diese Zahlen: Zehn Prozent beträgt der Anteil der Region an der Landesfläche – vom landesweit verbrauchten Boden lagen aber in den letzten zehn Jahren bis zu 16 Prozent in der Region, acht Mal lag die Region Stuttgart über dem Landesschnitt. Das fällt den Menschen in der Region immer mehr negativ auf, bei der Bürgerumfrage des VRS haben sie sich sehr eindeutig gegen die weitere Versiegelung der Landschaft ausgesprochen. Die Arbeit des Verbands beim Thema Fläche ist hier sicherlich ein Positivbeispiel, mit dem sich werben lässt. So hat sich der VRS schon bei der Aufstellung des letzten Regionalplans intensiv der Folgen des demographischen Wandels angenommen. Auch dabei ist der Verband ein verlässlicher Partner und bietet in dieser Frage für einzelne Kommunen und Verwaltungsverbände Unterstützung an.
Im Bereich der Wirtschaftsförderung wollen wir Grünen im neuen Jahr unseren Beitrag zur Weiterentwicklung des Strategieprozesses leisten und aus der Region Stuttgart eine Modellregion für nachhaltiges Handeln machen. Dazu gehört aus grüner Sicht ein Schwerpunkt im Bereich der Materialeffizienz und die gezielte Förderung von Technologien, Initiativen und Netzwerken im Bereich von Zero Waste. So gehen wir davon aus, dass die WRS aktiv für die an der Initiative „100 Betriebe für Ressourceneffizienz“ der Landesregierung wirbt!
Grünes Anliegen ist es auch die Anstrengungen im Bereich Fachkräfte und Bildung und zu verstärken. So dass die Region ihrem Leitbild welches „verlässliche Arbeitsverhältnisse und beständiges Lernen“ fordert gerecht wird.
Zu Bedenken ist auch, inwiefern wir mit der WRS in Zukunft nicht auch wirtschaftliche Initiativen von unten stärker in die Förderstrategie einbeziehen müssen. Ich denke dabei an gemeinschaftsorientierte Formen des Wirtschaftens, wie wir sie im Bereich der Energiewende in Form von Bürgerenergiegenossenschaften kennen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Der Haushalt 2014 ist ein verlässlicher Haushalt für die Zukunftsaufgaben des VRS und für seine 179 Kommunen. Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der einzelnen Bereiche wollen wir Grünen in bester Tradition kritisch-konstruktiv begleiten. Die grüne Regionalfraktion stimmt dem Haushalt zu.
Vielen Dank!