Rede von Dorothee Kraus-Prause Regionalversammlung 22. Juli 2015
Herr Vorsitzender, Frau Dr. Schelling, werte Kolleginnen und Kollegen, geehrte ZuhörerInnen,
die Region Stuttgart- dichtbesiedelt wie wenige in der Bundesrepublik - wird wertgeschätzt ob ihres dennoch verträglichen Verhältnisses von Siedlungsflächen – Wohnen und Gewerbe – und Freiflächen, Grünzügen und Naherholungsgebieten. In einer Umfrage haben die Bürgerinnen Natur und Landschaft ganz klar die meisten Pluspunkte gegeben. Wir wollen dieses ausgewogene Verhältnis nicht verschieben, wir sehen andere Entwicklungsmöglichkeiten für unseren Wirtschaftsstandort als neue
Industriegebiete entlang der A 81.Lassen Sie mich dies begründen:
Im Regionalplan wurden 2009 Flächen für Industrie und Gewerbe ausgewiesen, bereits damals wurde von mehreren Seiten ein Überangebot kritisiert.
Wir haben in der Region Stuttgart eine ausgesprochen kreative und gute Wirtschaftsförderung, die auf qualitatives Wachstum setzt, Innovationen fördert, um Fachkräfte wirbt und in vieler Hinsicht nach passgenauen Lösungen für Unternehmungen sucht. Wir sind überzeugt, dass in vielen Fällen der konkrete Bedarf, - neu oder im Bestand- in differenzierten Abstimmungsgesprächen mit vorhandenen Gewerbeflächen kompatibel gemacht werden kann. Da gehören explizit die Umwandlung und Wiedernutzung von Brachen dazu. Hier kommunikativ zu koordinieren, ist sicher eine nicht immer bequeme Aufgabe zwischen Region, Wirtschaftsregion, Kommunen und Betrieben. Trotzdem geht an diesem Weg nichts vorbei für eine Modellregion für nachhaltiges Handeln, die sich auch für kommende Generationen als Impulsgeberin verstehen will – hier zitiere ich das Leitbild für den Wirtschaftsstandort Region Stuttgart. Eine Angebotsplanung entlang der Autobahn wird u.E. einem solchen Anspruch aus verschiedenen Gründen nicht gerecht:
- Zum einen fehlt der konkrete Nachweis des Bedarfs, bzw. wirklich belastbare Bedarfsprognosen, die mehr sind als die Fortschreibung des status quo. Unseres Wissens war auch die Nachfrage in Pleidelsheim durchaus überschaubar. Wir alle kennen die unverbindlichen Anfragen von Unternehmungen in unterschiedlichen Kommunen, die letztlich nie und nirgends zu einer Realisierung kommen. Es fehlen Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Risikoabschätzungen. In den seltensten Fällen wird der Bedarf in Vorverträgen konkretisiert.
- Ansiedlungen an einem neuen Standort sind häufig Verlagerungen, die Brachen zurücklassen und kaum neue Arbeitsplätze schaffen. Allein die Ausweisung von Flächen schafft keine neuen Arbeitsplätze.
- Laut Umweltbericht gibt es entlang der A 81 überall hochwertige Böden. Wir wollen nicht, dass die Landwirtschaft auch hier -wie so oft -den Kürzeren zieht in der Konkurrenz zu Gewerbe- und Verkehrsflächen. Landwirtschaftliche Flächen sind nicht vermehrbar, werden aber vermehrt nachgefragt. Wir schätzen die Regionalität der Lebensmittel und berauben uns gleichzeitig der notwendigen Anbauflächen.
- Der Schutz von Böden als Kohlenstoffspeicher ist ein wichtiger und vordringlicher Beitrag zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Auch in diesem Jahr machen wir Erfahrungen mit Starkregen, Hochwasser, Hagel und Hitze und müssen großflächige Versiegelungen -wo immer möglich -vermeiden. Wir haben als Verband Region Stuttgart einen guten Ruf als konsequente Flächensparer zu verlieren.
- Der Bereich rechts und links der A 81 dient als wichtiges Naherholungsgebiet – Unbebaute Landschaft ist in der Region ein hohes Gut. Wir sind stolz auf 10 Jahre Landschaftspark. Wir wollen solche Naherholungsflächen aufwerten als Gegengewicht zur grauen Infrastruktur von Siedlungs- und Verkehrsflächen.
- In der vergangenen Woche wurde die Route der Industriekultur in Kuchen eingeweiht. Fast alle Rednerinnen haben die Bedeutung der Schiene für die industrielle Entwicklung des Filstales gewürdigt. Mehr denn je halten wir den Gütertransport auf der Schiene für eine zukunftsfähige Lösung, auch auf Wasserstraßen. Die Region hat den Neckar und fordert den Schleusenausbau. Bei der Planung der Gewerbeflächen ist jedoch nur die Straße im Blick. Die Überlastung und die Schadstoffbelastung durch die B10 sind bekannt- nun müssten sogar neue Zufahrten und Anschlüsse gebaut werden.
- Auch deshalb stehen wir einer Ausweisung von Logistikflächen in diesem Bereich ablehnend gegenüber. Diese Flächen sind zu wertvoll und eine Ansiedlung in anderen Regionen daher verschmerzbar. Unternehmen suchen sich Standorte nach dem Grundstückspreis. Da sollten wir uns angesichts dieser Wertigkeit nicht in einen Konkurrenzkampf begeben.
- In den betroffenen Kommunen gab und gibt es sehr kontroverse Diskussionen. Die Gemeinderäte haben sich letztlich mit Mehrheiten für die Ausweisung ausgesprochen, auch in der Hoffnung auf Gewerbesteuereinnahmen. Diese sind, wie wir wissen, offen und unsicher. Sicher ist hingegen die Notwendigkeit von Ausgaben für Erschließung und Unterhalt – für manche Kommunen werden sie zur jahrelangen Belastung.
Alles Gründe, warum wir uns gegen eine weitere Vorratshaltung von Gewerbeflächen aussprechen. Nach Informationen von BUND und LNV gibt es auch im Landkreis Ludwigsburg andere Möglichkeiten. 90 ha erschlossene Fläche sind nicht realisiert. Hier neue Überlegungen anzustellen, statt neu auszuweisen ist nicht Rückschritt, sondern der Schritt in die richtige Richtung. Manche mögen einwenden, dass wir bei der Ausweisung von Vorrangflächen für die Windkraft die guten Böden und die Naherholung nicht so vehement ins Feld führen. Regionalplanung hat immer mit Abwägungen zu tun. Im Blick auf Gewerbeflächen und die qualitative Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts sehen wir uns gut aufgestellt. Im Blick auf die Energiewende und den Klimaschutz jedoch nicht. Wir haben großen Nachholbedarf bei den erneuerbaren Energien. Insofern passt die Argumentation in diesen beiden Bereichen zusammen. Fazit: Wir lehnen die Ausweisung dieser Vorranggebiete als Angebotsplanung ab. Notwendig ist vielmehr ein kluger Umgang mit den vorhandenen Gewerbeflächen –wirtschaftliche Entwicklung und Fläche müssen entkoppelt werden. Stattdessen sind innovative Modelle von CO2 neutralen Gewerbegebieten zu realisieren oder die energieeffiziente Umwandlungen der vorhandenen Brachen. In diesem Sinn erwarten wir von Verband und Wirtschaftsregion, dass sie „ verantwortungsbewusst und mutig unsere Region gestalten“. (auch hier zitiere ich das Leitbild).
Als grüne Regionalfraktion sichern wir Ihnen dabei gern unsere Unterstützung zu.
Vielen Dank!