Rede von Eva Mannhardt Regionalversammlung 20.07.2016
Sehr geehrte Frau Dr. Schelling,
sehr geehrter Herr Bopp,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Region Stuttgart boomt: Die gute wirtschaftliche Entwicklung und die Zunahme der Bevölkerungszahl führt dabei zu steigendem Verkehr. Auf allen Wegen nimmt die Mobilität zu, die Fahrgastzahlen steigen, aber auch der Individualverkehr und der Güterverkehr wachsen stetig weiter an.
Mobilität zu organisieren ist eine Herausforderung. Denn längst spüren wir alle auch die Kehrseite der allgemeinen und ständigen Fortbewegung: Lärmbelastung, Feinstaubproblematik, Stau auf der Straße, Unpünktlichkeit und oft drangvolle Enge in der S-Bahn, steigende CO2-Werte und zunehmende Umweltverschmutzung.
Wohin also soll die Reise gehen bei der Weiterentwicklung des ÖPNV in der Region?
In der Vorlage und in den Debatten im Verkehrsausschuss steht vor allem eines im Vordergrund: Die Menge an Verkehr muss bewältigt und das Zusammenwirken der einzelnen Verkehrsträger organisiert werden. Dabei soll es natürlich für die Nutzerin und den Nutzer möglichst komfortabel, schnell und einfach sein, sich fortzubewegen.
Deshalb stehen in der Strategie zur Weiterentwicklung des ÖPNV auch der Ausbau der Intermodalität und die Angebote zur Vernetzung weit oben. Es soll möglichst einfach sein, von einem auf das andere Verkehrsmittel umzusteigen. Dazu baut die Region Mobilitätspunkte aus, sorgt für bequeme online-Nutzung für den Kauf von Tickets oder zum Ausleihen von Carsharing-Autos. Wir fördern den Aufbau von Pedelec-Stationen an S-Bahn-Haltestellen und kümmern uns um ein gutes P&R-Angebot und vieles mehr.
Doch auch mit der optimalen Verteilung des Verkehrs auf die Verkehrsmittel haben wir nur einen Teil der Probleme gelöst, wenn die Verkehrsmenge insgesamt weiter ansteigt.
Für die Reduktion der CO2-Belastung, der Umweltschäden und gesundheitlichen Auswirkungen ist es unabdingbar, den Anteil der Fahrten im öffentlichen Verkehr deutlich und überproportional zu erhöhen, damit der Individualverkehr zurückgeht. Das gerät bei den Diskussionen leider immer wieder in den Hintergrund.
Die Region Stuttgart und die ÖPNV-Partner haben in den letzten Jahren tatsächlich viel getan, um die Attraktivität von Schiene und Bus zu erhöhen. Die Takte wurden kontinuierlich verbessert, die Spät- und Nachtverkehre ausgebaut, Strecken verlängert, neue Verbindungen geschaffen. Der Verband hat Züge gekauft, wir richten W-LAN in der S-Bahn ein und lassen komfortable Expressbusse auf Tangentialen fahren.
Und der ÖPNV ist erfolgreich: jedes Jahr gewinnen wir neue Fahrgäste dazu.
Können wir uns deshalb nun zurücklehnen? Nein, denn es steigen immer noch zu wenig Menschen um. Der Individualverkehr ist im Verhältnis anscheinend noch attraktiver.
Deshalb sind es vor allem zwei Herausforderungen, mit denen wir es jetzt zu tun haben:
Zum einen bräuchte der notwendige deutliche ÖV-Ausbau mehr Geld. Doch stattdessen kämpfen wir mit der notorischen und inzwischen prekären Unterfinanzierung des ÖPNV im Vergleich zum Straßenverkehr. Auch wenn der Bund jetzt die Zahlung der Regionalisierungsmittel beschlossen hat und auch, wenn das Land eine ÖPNV Offensive plant, ist der weitere Ausbau nicht gesichert. Allein die lange Liste der notwendigen mittel – und langfristigen Ausbaumaßnahmen in der Region Stuttgart zusätzlich zu Stuttgart 21 lässt ahnen, welche Summen da im Raum stehen. Dazu sind dann auch noch deutlich gesteigerte Betriebsleistungen zu finanzieren. Die Region Stuttgart und ihre Kommunen stehen heute schon für steigende Kosten in der Pflicht. Aber insbesondere trifft es auch die ÖPNV Nutzerinnen und -nutzer. Auf sie werden anteilig die meisten Kosten abgewälzt.
Um den ÖPNV als Einrichtung der Daseinsvorsorge zu halten, müssen sich alle ÖV-Partner mit den Möglichkeiten der Finanzierung befassen, ohne dass am Ende der Fahrgast den größten Batzen übernehmen muss. Diese Diskussion kann und muss die Region anstoßen. Wir brauchen zur Finanzierung im Übrigen alle gesellschaftlichen Gruppen. Auch unsere Wirtschaft profitiert vom ÖPNV. Deshalb müssen wir auch z.B. die Wirtschaftsverbände mit ins Boot holen, um hier zu neuen Lösungen zu kommen.
Es ist aber auch an der Zeit, sich mit einer weiteren Frage zu beschäftigen: wie viel Mobilität kann in unserem Ballungsraum überhaupt bewältigt werden? Wie viel mehr ist noch finanzierbar – und für wie viel mehr Verkehr reichen die Kapazitäten an verfügbaren Flächen und Verkehrsmitteln?
Gerade die Region Stuttgart könnte hier ein wichtiger Impulsgeber sein, wie Mobilität effizienter werden – oder wie Verkehr sogar vermieden werden könnte. Noch können wir ihn besser über den Tag verteilen – da gibt es noch Kapazitäten. Aber wenn wir uns nicht in Zukunft von Fahrverboten, Zwangsstaus und überfüllten Zügen ausbremsen lassen wollen, sollten wir schon heute das Heft des Handelns in die Hand nehmen.