Rede von Ingrid Grischtschenko Regionalversammlung 25.07.2012
Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
die erste Suche nach geeigneten Standorten für große Windräder durfte vor zehn Jahren nicht besonders erfolgreich sein: Dem Verband Region Stuttgart wurde die fast fertige Teilfortschreibung Wind durchkreuzt vom damals allein zuständigen Wirtschaftsministerium. Den schon einmal reduzierten Standorten wurde eine große Zahl der Eignungsgebiete genommen und nur 9 blieben übrig.
99,9% der Regionsfläche waren damit für Windkraftanlagen ausgeschlossen.
Wir Grünen mutmaßten schon, dass die 9 Standorte auch noch eingedampft würden auf einen Standort. Das wäre dann in Stuttgart-Weilimdorf der Grüne Heiner gewesen und da wäre dann schon eines gestanden - ganz neu und es hat sich auch gedreht - und damit wäre das Thema Wind dann für Viele auch erledigt gewesen. So war die Stimmung.
Besagtes Windrad übrigens ein Solitär, das mit Einzelgenehmigungen durchgefochten wurde und mit 46 m Nabenhöhe als nicht regional bedeutsam gilt. Kommunale Anmerkung: Solche Windräder hätten damals (wie heute) in jeder Gemeinde, auf jeder windhöffigen Kuppe entstehen können – sind es aber nicht. Nur soviel zum Wildwuchs und zur kommunalen Planungshoheit.
Der Wind und die Stimmung im Land haben sich gedreht. Die Energiewende ist angesagt und sie muss planerisch begleitet werden. Die neue Landesregierung änderte das Landesplanungsgesetz und vollzog damit die inhaltliche Wende vom grundsätzlichen Ausschluss hin zur grundsätzlichen Erlaubnis. Von der Privilegierung zur Normalität, quasi die Inklusion der Windräder in den Alltag.
Zunächst mit großer Skepsis aufgenommen, führte die Änderung der schwarz-weiß Planung bei der Regionalverwaltung zur Wiederentdeckung ihrer Lebensgeister in Sachen Wind: In Windeseile startete sie die Koordination und tat damit kund: wir bündeln das, wir entbinden die Kommunen von Mehrfachprüfungen und wir können das auch! Die Kommunen waren und sind froh nun einen Entwurf vorgelegt zu bekommen, der nach einem Kriterien-katalog knapp 100 Standorte identifiziert.
Eine strategische Umweltprüfung begleitet den ganzen Prozess. Die Bewahrung des natürlichen Landschaftsbildes in der am höchsten verdichteten Region Deutschlands, der Region Stuttgart, steht weiterhin obenan, lediglich Waldflächen werden im Gegensatz zu früheren Planungsverfahren nicht mehr als Ausschlusskriterium gewertet. Und wenn nun vielleicht der Sendeturm in Waldenbuch Gesellschaft bekommt von einem oder mehreren Windrädern, ja, was ist dann? Dann steht er nicht mehr so alleine rum. Das ist aber auch alles. Eine verstärkte Galeriewirkung wird unterbunden werden.
Erinnern wir uns: Das ästhetisches Empfinden hat ja bei manchen erst mit der Windkraft eingesetzt. Alle Arten von Masten wurden bis dahin als nicht schön, aber eben als notwendig gesehen und waren Ausdruck der Wirtschaftskraft.
Manche Kommunen werden Windkraftanlagen als regionale Wirtschaftsförderung entdecken. Die Stadtwerke Fellbach (Rems-Murr-Kreis/Region Stuttgart) lassen schon lange ihren Windstrom in Wiesensteig (Kreis Esslingen/auch Region Stuttgart) produzieren Viele werden am Ende des Prozesses kein Windrad innerhalb ihrer Gemeindegrenzen haben. Für sie gilt: Ein Windrad ist nicht nur ein gutes Windrad, wenn es auf der eigenen Markung steht. Die Liberalisierung auf dem Strommarkt ermöglicht es jeder Kommune an anderer Stelle zu investieren (der Vollständigkeit halber: das gilt auch für die Stadtwerke Nürtingen.)
Wird der Strom da erzeugt, wo er verbraucht wird, gehen die Leitungsverluste zurück. Ob Leitungskapazitäten ungenutzt bleiben, wird auch davon abhängig sein, wie die anderen Regionen in Baden-Württemberg die Chance jetzt nutzen, mit Wind „lastnah“ und „on shore“ Strom zu erzeugen. Immerhin haben wir im letzten Planungsausschuss erfahren, dass unser sowieso schon dichtes Versorgungsnetz nur wenige Netzergänzungen braucht.
Schluss: Der Verband hat wieder gute Vorarbeit geleistet, er hat planungs-rechtlich alles in die Wege geleitet für eine Angebotsplanung, die jetzt im Detailmit Kommunen und BürgerInnenausgestaltet werden kann. Der VRS ist damit beispielgebend für die anderen 11 Regionen im ganzen Land. Abwägungsvorgänge werden uns nicht erspart bleiben, ab jetzt aber unter anderem Vorzeichen.