Rede zum Zuschussvertrag Verlängerung der S-Bahn nach Neuhausen

Die S-Bahn nach Neuhausen ist nicht nur lange versprochen, als Schienenverbindung ist sie auch unersetzlich für die bessere Erschließung der Filder mit dem ÖPNV. Dabei sind die Filder sind der vielleicht dynamischste Teilraum der Region, mit großem Siedlungsdruck.

 

 

 

Rede von Prof. Dr. André Reichel Regionalversammlung 25. September 2019

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Frau Dr. Schelling, meine Damen und Herren:

Die S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen beschäftigt dieses Gremium schon sehr lange. Bereits im Regionalverkehrsplan 2001 ist eine Schienenverbindung Bernhausen-Neuhausen-Esslingen enthalten, damals noch als Stadtbahn. Seit 2008 hat der Landkreis Esslingen in seinem Nahverkehrsplan die Verlängerung der S-Bahn von Bernhausen nach Neuhausen stehen. Im Regionalplan 2009 ist die Achse Stuttgart – Filderstadt – Neuhausen – Wendlingen – Kirchheim unter Teck als Regionale Entwicklungsachse festgelegt. Diese ist unter anderem durch die Schienenanbindung nach Neuhausen explizit begründet. Seit 2014 gibt es schließlich die Rahmenvereinbarung zwischen Verband, Landeshauptstadt, Landkreis Esslingen, den Städten Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt, der Gemeinde Neuhausen und der SSB AG zur Weiterführung der S-Bahn.

Ein Blick zurück zur Verlängerung der S-Bahn von Stuttgart-Rohr nach Filderstadt zeigt, dass damals lediglich acht Jahre vergangen sind vom Beschluss bis zur Inbetriebnahme. Nimmt man heute, sehr großzügig, 2014 als Startpunkt dann werden zwölf Jahre vergangen sein, bis 2026 endlich S-Bahnzüge nach Neuhausen fahren. Es dauert heutzutage alles länger und die Kosten am Bau steigen stärker als in der Vergangenheit. Deswegen ist jetzt dieser Zuschussvertrag notwendig geworden, dem wir Grünen selbstverständlich zustimmen werden. Die S-Bahn nach Neuhausen ist nicht nur lange versprochen, als Schienenverbindung ist sie auch unersetzlich für die bessere Erschließung der Filder mit dem ÖPNV. Die Filder sind der vielleicht dynamischste Teilraum der Region, mit großem Siedlungsdruck, während sie gleichzeitig die wenigsten Schienenverbindungen haben. Ohne attraktive Schiene wird aber die Verkehrswende in Richtung nachhaltige Mobilität nicht möglich sein. Ebenso ist die Verlängerung der S-Bahn nach Neuhausen wichtig, um die bereits angesprochene Achse ins Neckartal nicht unmöglich zu machen. Auch wenn der Verband durch die Mitfinanzierung des Dritten Gleis am Flughafen-S-Bahnhof die Option hat, eine Verbindung über die Neubaustrecke zu realisieren, bleibt die Verbindung über Neuhausen aus Fahrgastsicht attraktiv. Diese müssen wir zwingend offenhalten.

Bei aller Zustimmung können wir Grünen es aber nicht verhehlen, dass die Kostensteigerungen und die Zeitverzögerungen bei der Fertigstellung uns schwer im Magen liegen. 209 Mio. Euro für nicht einmal vier Kilometer Strecke, das sind über 53 Mio. je Kilometer, also Stuttgart-21-Kilometerkosten. Für eine Strecke, auf der bis vor gar nicht allzu langer Zeit noch Züge fuhren. Bis 1983 gab es Güterverkehr zwischen Leinfelden und Neuhausen, der neue S-Bahnhof wird dort liegen, wo es bis vor 36 Jahren schon einmal einen Bahnhof gab. Als jemand, der auf den Fildern aufgewachsen ist und dort lebt, kann ich mich noch erinnern, wie bis 1978 durch die END-Straßenbahn ein Schienenringschluss vom Neckartal auf die Filder existiert hat. Vor meiner Zeit, nämlich bis 1955, konnte man von Esslingen nach Neuhausen mit der Straßenbahn und dann von dort weiter mit der alten Filderbahn nach Leinfelden fahren.

Dieser Blick zurück zeigt mir, dass eine andere Verkehrssituation im ÖPNV auf den Fildern schon einmal Realität war – und diese durch eine falsche, einseitige Verkehrspolitik zugunsten des Autos und der Straße zerstört wurde. Was wir heute mit der S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen versuchen, ist auch ein Stück Reparatur dieser Politik, ein Kurswechsel, der uns heute teuer zu stehen kommt. Wir Grüne stehen wie keine andere politische Kraft für diesen Kurswechsel und sind bereit, in den sauren Kostenapfel zu beißen, der uns hier präsentiert wird.

Als Gremium sollten wir dabei aber einige Lehren ziehen. Die erste Lehre für mich ist, dass Bestandsinfrastrukturen auf der Schiene niemals leichtfertig aufgegeben werden dürfen. Wo wir Schienen haben, müssen wir auch Nahverkehr darauf fahren lassen. Es ist wesentlich günstiger im Bestand mehr Kapazitäten zu schaffen, als mühsam in einem hochverdichteten Raum neue Infrastrukturen zu bauen. Ich denke hier vor allem an die Panoramastrecke im Stuttgarter Norden und die Schusterbahnstrecke zwischen Kornwestheim und Untertürkheim. Auf der Schusterbahn können wir als Verband sofort Nahverkehrsleistungen bestellen, zwischen Plochingen und Kornwestheim gibt die Infrastruktur das ohne Weiteres her, wie unsere eigenen Untersuchungen zeigen. Und auch bei einer Weiterführung nach Ludwigsburg bin ich optimistisch, auch wenn wir hier uns mit dem Land auf die entsprechenden Fahrpläne und Trassenlagen einigen müssten.

Die zweite Lehre für mich ist, dass wir neben der Schiene unser Augenmerk verstärkt auf die Expressbusse legen müssen. Ich weiß, unser Relex-Bus hat nicht viele begeisterte Befürworter in diesem Gremium, aber Busse haben zwei entscheidende Vorteile: sie sind wesentlich günstiger als eine S-Bahn und sie lassen sich deutlich schneller auf die Straße setzen. Sie haben natürlich auch zwei Nachteile: sie sind langsamer, da sie sich den Raum mit Autos teilen müssen und mit ihnen im Stau stehen können; sie können weniger Fahrgäste transportieren als eine S-Bahn. Bevor ich aber gar nichts fahren lasse, ist mir ein Expressbus tausendmal lieber, gegebenenfalls in einem S-Bahn-Takt, also alle 15 Minuten. Um die Akzeptanz und Attraktivität unserer Expressbusse zu erhöhen, braucht es meiner Ansicht nach eine engere Abstimmung mit dem Land und der Landeshauptstadt, die ebenfalls Expressbusse betreiben. Uns Grünen ist klar: wir brauchen die Expressbusse als Teil der Verkehrswende. Aber es ist auch klar: die Schiene hat Vorrang und deswegen setzen wir gerade auf den Fildern auf unsere S-Bahn.

Mit dem vorliegenden Zuschussvertrag und der hoffentlich großen Zustimmung der Regionalversammlung, setzen wir als Verband Region Stuttgart ein deutliches Signal für die S-Bahn auf den Fildern, für ein Weiterführen der Verkehrswende und für die Schaffung klimafreundlicher Alternativen bei der Mobilität. Dies soll auch die vielen kritischen Stimmen vor Ort, die es angesichts der Kostensteigerungen natürlich gibt, beruhigen: die Region steht zu diesem Projekt und wird alles tun, damit wir bis 2026 die S-Bahn in Neuhausen begrüßen können. Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu.

Vielen Dank!