Reden
Rede Beschluss des Haushaltes 2020 Regionalversammlung 11.12.2019
Prof. Dr. André Reichel
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Frau Dr. Schelling,
sehr geehrte Mitglieder der Regionalversammlung,
bei der Stellungnahme zum Haushalt habe ich an dieser Stelle betont, was uns Grünen bei den nun zu Ende gegangenen Beratungen wichtig ist: dem Haushalt 2020 eine klare Richtung zu geben und sich den aus unserer Sicht größten Herausforderungen zu stellen. Das sind der menschengemachte Klimawandel und die Digitalisierung der Wirtschaft und der Arbeitswelt. Ich denke wir können jetzt festhalten: diese Richtung hat der Haushalt nun. Er trägt eine klare grüne Handschrift und die grüne Regionalfraktion wird ihm deswegen auch zustimmen.
Was mir persönlich wichtig war in den Haushaltsberatungen: nach dem schwierigen Start dieser 6. Regionalversammlung Signale der Einheit zu senden und die Weichen für zukünftige gemeinsame Projekte zu stellen. Dies ist mit der breiten Mehrheit für den von uns Grünen initiierten interfraktionellen Antrag „Wirtschaft im Wandel“ auch gelungen. Diese breite Mehrheit, die nun hinter der Idee einer Nachhaltigkeitsregion Stuttgart steht bedeutet dabei freilich nicht, dass wir in allen anstehenden Themen einer Meinung sein werden. Herr Hesky hat es bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuss sehr richtig gesagt: bei den großen Fragen sind wir uns einig, bei der Umsetzung und den einzelnen Schwerpunkten werden die Unterschiede der Fraktionen dann wieder deutlich werden. So gehört es sich auch für eine demokratisch gewählte Regionalversammlung. Ich denke aber, dass uns am Ende dann doch wieder breite Mehrheiten möglich sein werden. Entscheidend bei den großen Fragen der Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Annahme der Herausforderung der Digitalisierung ist es, die Kompetenzen die in der Region Stuttgart vorhanden sind zu bündeln und zu organisieren. Unsere WRS ist dafür die richtige Anlaufstelle und ich freue mich auf die Ideen und Initiativen die Dr. Walter Rogg, auch zusammen mit dem Verband und Frau Dr. Schelling, ausarbeiten und umsetzen wird. Das Mandat ist nun erteilt.
Auch im zentralen Aufgabenbereich des Verbands, im Verkehr, konnten wir weitestgehend große Übereinstimmungen bei den Haushaltsberatungen schaffen. Es wird eine Offensive im Bereich nachhaltiger Mobilitätsdienstleistungen in der Fläche geben, Angebote wie Carsharing oder Rufbussysteme sollen nicht mehr auf die Landeshauptstadt begrenzt sein, sondern überall in der Region angeboten werden können. Das wird sicherlich seine Zeit brauchen, aber mit diesem Haushalt stellen wir dafür die Weichen. Vor allem beim RegioRad bin ich zuversichtlich gestimmt, das unser neues kommunale Förderprogramm hier sehr schnell Früchte tragen wird. Bei der Angebotsausweitung der S-Bahn im Nachtverkehr müssen wir noch etwas abwarten, aber Gespräche mit der S-Bahn Stuttgart weisen in mögliche Richtungen, hier doch bis zum Ende der Wahlperiode einen entscheidenden Schritt weiter gehen zu können.
Was uns Grünen weiterhin zu langsam geht ist die Nutzung der existierenden Tangentialstrecken, der Panoramastrecke und der Schusterbahn. Es ist mir klar, dass gerade bei der Panoramastrecke die Frage des Eigentums an der Strecke im Falle eines weiteren Bahnbetriebs, und damit verbunden der Infrastrukturkosten, ein großes Hindernis darstellt. Ich denke aber, dass wir in den kommenden Jahren diese Frage klären müssen, auch gemeinsam mit dem Land. Die Panoramastrecke ist nicht nur eine wichtige Infrastruktur für Ausweichverkehre, wenn mal wieder in der Stammstrecke nichts geht, sondern sie ist in der Tat die einfachste und kostengünstigste Realisierung einer zweiten Stammstrecke in Stuttgart.
Bei der Schusterbahn sind wir nach den Haushaltsberatungen noch einmal in einer Prüfschleife gelandet, wie dort ein S-Bahn- oder auch ein Regionalbahnkonzept umsetzbar ist. Es ist aus grüner Sicht die letzte Prüfschleife, die wir drehen, danach muss es zu einer Entscheidung kommen. Die Infrastruktur ist vorhanden, wird genutzt und ließe sich als Regionalbahn mit geringem Aufwand für eine Verbindung Ludwigsburg-Plochingen oder Bietigheim-Plochingen nutzen. Vielleicht gelingt uns hier ja auch ein Stufenkonzept mit einem Regionalbahnvorlauf und perspektivisch dann eine S-Bahn, analog zur Hermann-Hesse-Bahn.
Jetzt komme ich zu dem Teil des Haushalts, bei dem Licht und Schatten eng beieinander, die Meinungen und Positionen der Fraktionen dagegen deutlich auseinander liegen. Es geht um den VVS-Tarif. Vielleicht zunächst zum Licht: auf grüne Initiative hin wird es nun erneut ein Tarifysmposium im VVS mit allen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen geben, wie die Tarifreform von diesem Jahr weiterentwickelt werden kann. Ich sehe hier auch große Einheit beim Wunsch eines vergünstigten Tickets im Bereich von 365 EUR für Schüler, Auszubildende und Studierende im gesamten VVS. Ebenso denke ich, können wir eine Vereinheitlichung bei den Sozialtickets schaffen. Nicht in dem wir als Verband dieses Ticket selbst finanzieren, wohl aber in dem wir eine Tarifart für die Kreise und Kommunen anbieten und vor allem die Übergänge sichern: wenn Empfänger von Transfereinkommen im einen Landkreis leben, aber aus familiären Gründen oder weil sie eine Anstellung finden in einen anderen Landkreis fahren müssen. Hier braucht es dringend hier eine tarifliche Lösung.
Der Schatten bei den Tarifen ist auch klar: es gab in den Kreistagen der Region keine Mehrheit für einen Verzicht auf die nächste Erhöhung der Fahrpreise im April 2020. Wir Grünen haben zusammen mit SPD und Linken in allen Kreistagen entsprechende Anträge gestellt, allein in der Landeshauptstadt konnten diese, dort mit Unterstützung der CDU, eine Mehrheit finden. Ansonsten gab es eine klare Ablehnungsfront aus CDU und Freien Wählern, die eine Einigung letztlich unmöglich machten. Woran ist es gescheitert? An insgesamt 800.000 EUR im Jahr, die die Landkreise hätten insgesamt aufbringen müssen. Je Kreis wären das ungefähr 200.000 EUR jährlich gewesen, das entspricht zwischen 0,1 und 0,2 Prozentpunkten der Kreishaushalte. Ich verstehe durchaus die Sorge zusätzlicher Dauerbelastungen der kommunalen Haushalte, aber bei diesen geringen Größenordnungen ist es mir völlig unverständlich, dieses deutliche und die Tarifreform verstärkende Signal nicht zu setzen. Mein Dank gilt dem Landesverkehrsminister, der das Angebot des Landes mehrfach nachgebessert hat und den Kreisen bei ihren Bedenken weit entgegengekommen ist. Hat es am Vertrauen gefehlt, dass das Land zu seinen Zusagen steht? Ich denke doch, dass Minister Hermann sehr klar gezeigt hat durch sein Handeln gerade im ÖPNV, dass er ein Freund der Region ist - und, angesichts eines Gesellschafteranteils des Landes am VVS von 7 Prozent, sich mit den Zusagen für 33 Prozent für 5 Jahre und 25 Prozent dauerhaft doch sehr klar positioniert hat. Eine vertane Chance aus meiner Sicht.
Jetzt bleibt aber nur der Blick nach vorn. Und da ist es mir wichtig auch klar zu machen, dass dieser politische Streit durchgehend fair und offen geführt wurde und dass, zumindest was uns Grüne angeht, es keine Verletzungen gegeben hat. Verband, Landeshauptstadt, Landkreise und Land werden auch in Zukunft gut miteinander arbeiten, arbeiten müssen, um die Verkehrswende in der Region weiter voranzutreiben. Wir sind als Aufgabenträger des ÖPNV aufeinander angewiesen, deswegen kann es auch nicht angehen, dass zum Beispiel der Verband über die demokratischen Entscheidungen der Kreistage hinweg jetzt einen Beschluss fasst, die Tariferhöhung doch auszusetzen und sich bei Kreisen und Kommunen über die Umlage für diese Maßnahme zu bedienen. So würde Vertrauen eher zerstört und dafür stehen wir Grünen nicht, dafür stehe ich persönlich nicht.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Richtung und die Handschrift des Haushalts 2020 stimmen. Der Verband nimmt die Herausforderungen unserer Zeit an, auch angesichts einer sich eintrübenden Konjunktur. Es wird jetzt darauf ankommen, dass wir als Regionalversammlung die Umsetzung dieser Beschlüsse kritisch und konstruktiv begleiten. Mein Dank gilt zum einen den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen für die guten, manchmal auch harten Debatten, insbesondere aber auch für die vielen Möglichkeiten zur Einigung die sich in den Beratungen ergeben haben. Ebenso möchte ich mich bei der Regionaldirektorin, den leitenden Direktoren und der gesamten Verbandsverwaltung bedanken, die immer klar erkennbar versucht hat, uns Regionalräte auf Kompromissmöglichkeiten hinzuweisen. Wenn dies dann nicht gelungen ist, so ist die Schuld allein bei uns und nicht bei Ihnen zu suchen.
Wir Grünen stimmen dem Haushalt 2020 zu und wünschen Ihnen allen verdient frohe Weinachten!