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Grünen-Regionalfraktion stellt Studie zur „Zukunft der S-Bahn Stuttgart“ vor
Wenn die angestrebte Klimaneutralität bis 2040 erreicht werden soll, dann ist die S-Bahn ein zentraler Baustein, der bei steigenden Fahrgastzahlen Zuverlässigkeit und umsteigefreundliche Verbindungen garantieren muss. Nur so kann auch die Mobilitätswende in der Region Stuttgart auf den Weg gebracht werden. Das ist das gemeinsame Ziel aller in der Regionalversammlung vertretenen, demokratischen Parteien. Und das muss auch das Ziel der notwendigen Ausschreibung des S-Bahn-Vertrages bis spätestens 2027 sein. Die Grüne Regionalfraktion eröffnet bereits heute die Debatte, um die bestmöglichen Faktoren für eine zukunftsgerechte und krisenfeste S-Bahn zu identifizieren und festzulegen. Worauf es dabei ankommt, hat sie in einer Studie von der VWI Stuttgart GmbH untersuchen lassen. Der Fraktionsvorsitzende André Reichel betont: “Wir erwarten nun eine konstruktive Diskussion in der Regionalversammlung über die zukunftsweisenden Ergebnisse der Studie, die schließlich in die Ausschreibung einfließen sollen.“ Für die Grünen in der Regionalversammlung ist klar: Wer verantwortungsvoll Zukunft gestalten will, muss jetzt damit beginnen.
Hintergründe zur Beauftragung der Studie „Zukunft der S-Bahn Stuttgart“
Es sind noch 11 Jahre bis zum Start des neuen S-Bahn-Vertrags in der Region Stuttgart. Dann endet der alte Vertrag aus dem Jahr 2009, der neue Vertrag wird die S-Bahn entsprechend lange prägen. Bereits 2028 muss allerdings das EU-weite Vergabeverfahren abgeschlossen sein, die Ausschreibung selbst spätestens 2027 erfolgen. „Wir haben also einen gewissen Zeitdruck, in den Gremien des Verband Region Stuttgart in den kommenden dreieinhalb Jahren uns über die grundsätzliche Ausrichtung der S-Bahn in Sachen Angebot, Infrastruktur und Fahrzeuge klar zu werden – die dann wiederum bis in die 2050er Jahre hinein die Rahmenbedingungen für den schienengebundenen ÖPNV festlegen wird“, so André Reichel. Aus diesem Grund habe die grüne Regionalfraktion bei der VWI Stuttgart GmbH eine Studie in Auftrag gegeben, genau diese Rahmenbedingungen der S-Bahn und deren grundsätzlichen Fragestellungen zu prüfen und zusammenzustellen.
Ziel: Kapazitätssteigerungen und Zuverlässigkeit
„Eine deutliche Steigerung der Kapazitäten und Fahrgastzahlen nach 2032 ist nur mit einem „sekundären Netz“ möglich“, hebt der Fraktionsvorsitzende André Reichel als wichtigste Erkenntnis für die Regionsgrünen hervor. Dies sei notwendig, damit die S-Bahn Stuttgart einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele des Landes – Klimaneutralität bis 2040 – überhaupt leisten kann. „Mit der Idee eines sekundären Netzes der S-Bahn ist eine Ergänzung zu den bestehenden primären, radial auf die Stammstrecke ausgerichteten Linienführungen gemeint. Also die Einbeziehung von tangentialen Bestandsinfrastrukturen wie Panoramabahn und Schusterbahn, sowie die Überlegungen des Landes zu einem Nahverkehrsdreieck im Bahnknoten Stuttgart.“
Mit der Digitalisierung der S-Bahn und dem neuen Leitsystem ETCS wird die Voraussetzungen für eine pünktliche und zuverlässige S-Bahn geschaffen. Allerdings können damit nicht die bestehenden Stammstreckenlinien weiter verdichtet werden, ohne an Pünktlichkeit zu verlieren. Zudem ist bei den Bestandslinien auch kaum mehr Kapazitätssteigerung bei Fahrgastzahlen möglich. Die Grünen erteilen damit auch einer weiteren und allgemeinen Taktreduzierung eine Absage. „Für uns ist der 15-Minuten-Takt auf der Stammstrecke gesetzt“, so Reichel weiter. Viel interessanter sei es, durch ein sekundäres, tangential orientiertes Netz, neue Verbindungen und neue Ein- und Umstiege zu ermöglichen: „Hier gibt es großes Potenzial auch für Verdichtungslinien der S-Bahn, die einen Teil ihrer Fahrt auf den bestehenden Strecken absolvieren und dann auf Schuster- oder Panoramabahn abbiegen.“ So wäre z.B. denkbar die S1 zwischen Plochingen und Bad Cannstatt um einen zweiten Viertelstundentakt in Stoßzeiten zu ergänzen und diese Linie über das noch zu bauende Nahverkehrsdreieck über die Panorama-bahn nach S-Vaihingen zu führen.
Weitere Inhalte der Studie Zukunft der S-Bahn Stuttgart
Neben Angebot und Infrastruktur wollen die Regionsgrünen auch noch einmal grundsätzlich über die S-Bahn-Fahrzeuge ab 2032 nachdenken. Im Vordergrund müssten hierbei die fahrgastfreundliche Ausgestaltung der Innenräume und unkomplizierte Ein- und Ausstiege stehen. Reichel: „Die S-Bahn der Zukunft muss für alle Lebenslagen benutzbar sein, vor allem auch für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste, aber auch für Menschen mit Kinderwagen und Fahrrad. Deswegen wollen wir unterschiedliche Fahrzeugkonfigurationen prüfen lassen, die das bestehende dreiteilige 70-Meter-Raster hinter sich lassen.“ Denkbar wäre z.B. ein nur noch zweigeteilter S-Bahn-Zug, mit je 100 Meter langen Zügen oder sogar ein nur einteiliger 200 Meter langer Zug. „Je länger der Zug, umso mehr Spielräume haben wir bei der Gestaltung der Innenräume. Sogar unterschiedliche Ausstiegshöhen zur Sicherung der Barrierefreiheit sind dann denkbar“, so Reichel. Offen sei jedoch die weitere Planung hinsichtlich der Bahnsteighöhe. Reichel: „Die unterschiedlichen Bahnsteighöhen in den Mischverkehr stellen zukünftig eine noch größere Herausforderung dar. Die Studie bietet dazu eine gute Grundlage für die weitere Diskussion.“
Die S-Bahn-Fahrzeuge haben dann wiederum direkte Auswirkungen auf die S-Bahn-Werkstatt. Reichel: „Längere Züge passen dann nicht mehr ins Werk der DB Regio nach Plochingen. Der Verband muss dann nach einem neuen Standort für eine Werkstatt suchen, idealerweise an einem zentral gelegenen Ort im Netz.“ Dies sei aber auch unabhängig von den zukünftigen Zügen notwendig, so Reichel, denn bei der letzten Ausschreibung der S-Bahn haben sich die anderen Mitbewerber der DB Regio auch deshalb zurückgezogen, weil sie keinen Zugang zur Werkstatt hatten. „Uns ist klar, dass mit einer neuen S-Bahn-Werkstatt samt Abstellanlagen auch Flächenverbrauch einhergeht. Aber diese Flächen brauchen wir für eine zukunftsfähige S-Bahn und die Wende hin zu klimafreundlichem Nahverkehr in der Region.“
Die vertragstechnischen Fragen runden die Studie ab. Auch hier hat die grüne Regionalfraktion einige Anregungen mitnehmen können. Reichel: „Vor allem die Frage, wem eigentlich die Fahrzeuge gehören bzw. wer sie kauft, ist für uns wichtig. Das muss nicht der Verband und das muss auch nicht das Eisenbahnverkehrsunternehmen sein. Denkbar ist es, dass die Fahrzeuge im Eigentum des Herstellers verbleiben und wir als Verband die Kilometerleistung kaufen. Das würde den Hersteller noch einmal ganz anders in die Pflicht nehmen, uns betriebsfähige Fahrzeuge aufs Gleis zu stellen“. Solche Betreibermodelle seien in der Industrie gang und gäbe. Auch im Eisenbahnbetrieb wäre das nicht ungewöhnlich. Vor allem angesichts der hohen Ausfallrate der aktuellen S-Bahn-Generation sei es wichtig, hier den Hersteller viel stärker in die Pflicht zu nehmen, so Reichel abschließend.
Die Ergebnisse der Studie wurden am 13. Juli 2023 von Prof. Dr.-Ing Ullrich Martin, Stefan Tritschler und Patrick Wernhardt vorgestellt.
Zum Download der Studie